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DIE FAKTEN
- Am 17. Juli 2014 wurde der Malaysia Airline Flug MH17 über der Ostukraine abgeschossen. Alle 298 Insassen starben. Die Nato zeigte schon Mitte Juni Bilder von russischen Panzern in der ostukrainischen Stadt Snizhne. Der Bundeswehr und der Nato ist bekannt, dass sich russische Panzer in Feindesland nur mit dem Schutz eines BUK-Raketensystems bewegen. Damit war die Flughöhe klassischer Ferienflieger seit Mitte Juni Kampfzone. Deshalb hätten die Bundesregierung und alle anderen Nato-Staaten nach Recherchen von CORRECT!V ihre Fluggesellschaften spätestens seit dieser Erkenntnis vor Flügen über der Ostukraine warnen müssen. Die niederländische Regierung hat dies bereits bestätigt. Die deutsche Regierung weist dies noch zurück.
- CORRECT!V hat vor Ort Zeugen des Abschusses von MH17 in der Ostukraine gefunden. In einer aufwändigen Recherche in Wien, den Niederlanden, der Ukraine und in Russland haben wir zudem mit Militärexperten, Warlords der Separatisten, ehemaligen BUK-Ingenieuren und ehemaligen Soldaten aus der 53. russischen Luftabwehrbrigade gesprochen. Alle sind sich im Gespräch mit CORRECT!V sicher: Die Separatisten waren nicht in der Lage ein solch hochkomplexes System zu bedienen. Nur russische Offiziere können den Befehl zum Abschuss von MH17 gegeben haben.
- Fotos und Videosequenzen einer BUK-Abschussrampe wurden am 17. Juli im Separatistengebiet der Ostukraine fotografiert. Das internationale Investigativ-Team Bellingcat hat die Abschussrampe in einer Online-Recherche der 53. russischen Luftabwehrbrigade zugeordnet. CORRECT!V hat die Standorte der Beweisfotos aus dem Netz in der Ostukraine überprüft.
- Die Ergebnisse veröffentlicht CORRECT!V gemeinsam mit dem Spiegel und dem Algemeen Dagblad.
Lesezeit: circa 15 Minuten
CORRECT!V-Reporter Marcus Bensmann war für die Vor-Ort-Recherche unserer MH17-Geschichte mehrfach im Kriegsgebiet, in der Ostukraine und in Russland. Dort hat er nicht nur mit Zeugen gesprochen, sondern auch zahlreiche Fotos geschossen. Die Fotos vergleichen wir hier unter anderem mit den in den vergangenen Monaten im Internet zusammengetragenen Bildern und Videos, die den Weg der russischen BUK-Rakete zeigen. Zudem veröffentlichen wir Fotos vom Abschussort und von seiner Recherche.
Das BUK-Raketensystem startete zunächst in der westrussischen Stadt Kursk und fuhr später von der ostukrainischen Stadt Donetzk über die Orte Zuhares und Tores nach Snizhne. Sie benutzte dabei die Verbindungstrasse N21 zwischen den Rebellenhochburgen Donetzk und Luhansk. Das Das Online-Investigativteam Bellingcat konnte die Kennzeichnung 3*2 auf der BUK identifizieren.
Die Abschussrampe war auf einem Tieflader mit weißer Fahrerkabine aufgebockt, den zuvor Separatisten geklaut hatten. Nach dem Abschuss wird der Tieflader mit der BUK in Luhansk gefilmt. Es fehlt eine Rakete.
Die Strasse und alle Städte waren zum Zeitpunkt des Abschusses in Separatistenhand. Das russische Verteidigungsministerium behauptete jedoch, ukrainische BUKs seien unweit der Abschsturzstelle stationiert worden.
Wir haben die von Bellingcat verifizierten Bilder vor Ort nachverfolgt und konnten beweisen, dass sich die BUK ständig in Rebellengebiet bewegt hat.
Der Weg der BUK-Einheit führte mitten durch das umkämpfte Gebiet. Die Teilstrecke von Kursk bis kurz vor die Grenze ist gut dokumentiert. Das Rechercheprojekt Bellingcat konnte fast den gesamten Weg rekonstruieren. Unklar ist allein der Weg über die Grenze.
Sie haben Infos für uns?
Das russische Verteidigungsministerium zeigt eine Militär-Basis nördlich von Donetzk, auf der angeblich ukrainische BUK-Einheiten stehen sollen.
Die gleiche Basis kann man auch in besserer Auflösung bei Google finden. Das besondere dabei: Seit Jahren hat sich der Fahrzeugbestand dieser Basis nicht gändert. Die Fahrzeuge stehen zudem offensichtlich immer an der gleichen Stelle. So als würde nichts bewegt.
Ein Fotograf des französischen Magazins „Paris Match“ hat am Morgen des 17. Juli 2014 eine BUK-Einheit auf einem LKW auf der Verbindungsstraße N21 fotografiert.
Wir haben die gleiche Stelle im Herbst besucht. Der Weg der BUK-Einheit ist nachvollziehbar.
Das Rechercheseite Bellingcat veröffentlichte ein Foto, auf dem die BUK-Einheit auf ihrem LKW wenig später an einer Plattenbausiedlung im Separatistengebiet vorbeifährt.
Wir haben die Plattenbausiedlung im Ort Zuhres verifiziert.
Das russische Verteidigungsministerium zeigt auf einem Satelitenbild zwei weitere Punkte. Dabei soll es sich angeblich um ukrainische BUK-Einheiten in der Nähe des Weilers Zaroshchens‘ke handeln, die auf einem Feld stehen.
Das Feld liegt an einer markanten Kurve – direkt daran ein schlecht zu sehender Lehmweg.
Die Wegbiegung und der angrenzende Lehmweg sind auf Google Earth leicht zu finden.
Vor Ort hat CORRECT!V entlang der Kurve Spuren von Kettenfahrzeugen entdeckt.
Die Einwohner des Dorfes Zaroshchens‘ke haben aber nichts besonderes gesehen und gehört.
Es gibt allerdings Spuren von schwerem Gerät in der Nähe.
Zaroshchens‘ke liegt in der Nähe. Einen BUK-Abschuss hätten die Menschen hören müssen.
Die Einwohner von Zaroshchens‘ke sind sich sicher: Hier waren keine ukrainischen BUKs.
Bellingcat veröffentlichte ein Bild der BUK-Einheit in der Stadt Tores auf dem Tieflader.
Das Foto wurde von einer Tankstelle aus gemacht, die wir finden konnten.
Die Buk in Snizhne
Die Bergarbeiterstadt Snizhne sorgt schon im Juni 2014 für Aufsehen. Das US State Department sagte damals, russische Panzer seien von der naheliegenden Grenze aus in die Stadt eingedrungen. Nach dem Absturz erklärte das US State Department, dass der Ort, von dem aus eine Rakete auf MH17 abgeschossen wurde, in der Nähe der Stadt liegen müsse. Am 15. Juli, zwei Tage vor dem Abschuss der MH17, wurde ein Wohnhaus bombardiert. Vermutlich von einem ukrainischen SU-Kampfjet – einem Panzerjäger.
Ein weiteres Bellingcat-Foto: Die BUK ist nun abgeladen. Sie fährt auf Ketten durch Snizhne.
Wir finden die Häuserecke im Herbst. Die BUK ist an diesem Haus vorbeigefahren.
Auf der Straße erkennen wir Spuren von schweren Kettenfahrzeugen.
Die Spuren der Kettenfahrzeuge haben sich tief in den Asphalt gegraben.
Das folgende Haus wurde am 15. Juli bombardiert. Bis zu 13 Menschen sollen gestorben sein.
Die NATO veröffentlicht das Bild eines T-64 Kampfpanzers in Snizhne.
Der Markplatz von Snizhne. Die Spuren zeigen: Panzer waren in der Stadt.
Die Spuren der Panzer
Die Beweise für die Panzer in der Stadt Snizhne sind in den Asphalt gegraben. Die Panzerspuren führen bis zur russischen Grenze. Die Nato zeigt im Juni ein Foto eines russischen Panzers in der Bergarbeiterstadt. Im Gespräch mit CORRECT!V gibt der Vizekommandant der Stadt, Alexander Bondarenko, zu, dass „grüne“ Panzer – ohne offizielle Kennzeichnung – nach Snizhne gelangt sind. Wenn russische Panzer in der Ostukraine unterwegs waren, waren BUK-Einheiten nicht weit. So schreiben es die Kampfregeln vor. Die Nato und das Bundesverteidigungsministerium müssen das gewusst haben. Auf unsere Fragen zu diesem Komplex bekommen wir keine Antworten. Gespräche mit Spezialisten der Bundeswehr blockiert die politische Führung des Ministeriums.
Die Straße von Snizhne zur russischen Grenze zeigt deutliche Panzerspuren.
Der Abschussort
Schon kurz nach dem Abschuss des Fluges MH17 benannte das US State Department einen Ort nördlich von Snizhne als Tatort. Von dort aus sei eine Rakete auf das zivile Flugzeug abgeschossen worden. Auf der Facebookseite der US-Botschaft findet sich immer noch ein verschwommenes Satelitenphoto, das die Behauptung bestätigen soll.
Die Separatisten sagen, sie hätten ihre Luftverteidigung im Norden der Stadt aufgebaut. Dort liegt ein Feld zwischen einer Fabrik und einem Bahndamm. Der Ort ist gut geschützt. Die Fabrik blockiert den Blick zur Verbindungsstraße N21, die wenige dutzend Meter weiter vorbei führt. Auf der anderen Seite bietet eine Waldhecke und der Eisenbahndamm Sichtschutz zu einer kleinen Siedlung, einem Vorort von Snizhne. Ein Bewohner sagt, das Dorf heiße „Puschkin“: ebenerdigen Gehöfte entlang schlammiger Straßen. Die Leute hier haben Angst. Jeder erinnert sich an den 17. Juli 2014, an den Tag, an dem das Flugzeug abgeschossen wurde. Sie erinnern sich an lauten Krach, an Rauch und einen schrillen Ton. Hier wohnen die Zeugen des Abschusses.
Puschkin ist links hinter Bahndamm und Hecke. Im Hintergrund die Fabrik. Spuren im Feld.
Die Bierflaschen liegen hier im Feld zwischen Fabrik und Bahndamm.
Der Blick in die andere Richtung. Die Fahrspur sei zu breit für einen Traktor, sagt ein Experte.
Die Einfahrt in die Siedlung bei Snizhne entlang des Bahndamm.
Das Dorf der Zeugen des Kriegsverbrechens ist nahezu ausgestorben; die Straße leer.
Nach dem Schuss
Die BUK wurde am späten Nachmittag des 17. Juli 2014 noch einmal gefilmt. Diesmal allerdings mit einer fehlenden Rakete. Sie ist wieder auf der Verbindungsstraße N21 unterwegs. Sie ist in Luhansk.Einem Ort in Grenznähe.
Von hier aus kann die BUK leicht zurück aus der Ostukraine nach Russland gebracht werden. Das russische Verteidigungsministerium hat in einer Pressekonferenz die Echtheit der Aufnahme bestätigt. Allerdings sagte das russische Ministerium, die BUK sei an einem anderen Ort gewesen. Nicht in Luhansk. Sondern in einer Stadt weit weg. Wir haben das Foto vor Ort überprüft. Es stammt aus Luhansk. Das russische Verteidigungsministerium hat gefragt, wann die Rakete abgeschossen wurde.
Das russische Verteidigungsministerium bestätigt: Dieser Film ist echt. Ein LKW mit einer BUK-Abschussrampe fährt unter einem Plakat der Autofirma „Bogdan“ her. Der BUK fehlt eine Rakete. Die Russen behaupten, der Ort würde von der ukrainischen Regierung kontrol- liert. Sie fragen: Wann wurde die Rakete abgeschossen?
Ein Screenshot aus dem angesprochenen Video, das alle Seiten als authentisch anerkennen. Deutlich zu sehen: es fehlt eine Rakete.
Wir haben den Ort gefunden, an dem der Film entstand. Eine Kreuzung in Luhansk.
Ivan aus der 53. Brigade
Die Internetrechercheplattform Bellingcat konnte die 53 Luftverteidigungbrigade aus Kursk als Truppe identifizieren, aus deren Reihen die Soldaten stammen, die möglicherweise die tödliche Rakete auf Flug MH17 abgeschossen haben. Einer, der besonders dabei geholfen hat, die Einheit zu enttarnen, ist Feldwebel Ivan Krasnoproschin. Auf seiner Seite im russischen Facebook-Klon Vkontakte finden sich viele Hinweise auf den Einsatz in der Ukraine.
So lichtete Ivan Krasnoproschin unter anderem seine Entlassung aus der russischen Armee ab. Ein Zufall? Diese angebliche Entlassungen vieler Soldaten geschah offenbar nur aus einem Grund: der russische Präsident Wladimir Putin sollte weiterhin behaupten können, es seien keine russischen Soldaten in der Ostukraine im Einsatz. Der Verdacht ist aber begründet, dass Leute wie Krasnoproschin nach ihrer „Entlassung“ mitsamt ihren Einheiten in die Ukraine einmarschierten, um Menschen zu töten. Die russische Führung hätte das verhindern müssen, wenn die Leute nicht in ihrem Aufrag handelten.
Lange vor dem Abschuss lässt sich Feldwebel Krasnoproshin sich bei einer Übung mit der veralteten Kriegstechnik fotografieren. Er gibt ich tapfer. Das Foto entstammt, wie die anderen hier, seiner Seite im russischen Facebook-Klon Vkontakte.
Feldwebel Ivan Krasnoproshin fotografierte eine BUK bei einer Übung der 53. Brigade.
Entlassungsnotiz im Dienstbuch – abgestempelt und freigestellt: Im Juni, eine Woche vor dem Abmarsch in die Ostukraine, werden Ivan Krasnoproshin und einige seiner Kameraden auf Befehl aus den Listen der russischen Streitkräfte ausgetragen. Zufall? Oder Absicht?
Zu Besuch in Kursk
Kursk hat eine harte Geschichte. In der Nähe der westrussischen Stadt tobte im 2. Welt- krieg die größte Panzerschlacht der Geschichte, mit über 10.000 beteiligten Panzern. Bilder aus dem Internet zeigen, dass von hier aus Ende Juni 2014 ein Konvoi mit BUK-Einheiten zur ukrainischen Grenze in der Nähe von Luhansk aufbrach. Die Internetre- chercheplattform Bellingcat fand heraus, dass die Wagen des Konvoi zur 53. Luftverteidi- gungbrigade gehören, die in Kursk stationiert ist.
Belligcat fand zudem auch heraus, dass eine BUK-Einheit aus dem Konvoi mit der Kennzeichnung 3*2 am 17. Juli 2014 in der Ostukraine mehrfach entlang der Verbindungsstraße N21 gesichtet wurde. Die Abschürfungen an der Karosserie oberhalb der Ketten der im Separatistengebiet fotografierten BUK sind identisch mit der BUK-Einheit, die im Konvoi von Kursk aus zur ukrainischen Grenze fuhr.
Für uns ist damit klar: Bereits Ende Juni, wenige Tage nachdem Feldwebel Krasnoproshin samt Kameraden aus der Liste der Armee ausgetragen wurde, machten sich Teile der 53. Luftverteidigungbrigade aus Kursk auf den Weg, den Vorstoß russischer Panzer in der Ostukraine zu sichern.
Wir haben die Stadt besucht.
Ein Kriegsdenkmal in Kursk erinnert an die legendäre Panzerschlacht gegen die Wehrmacht.
Die Siedlung gegenüber der 53. Brigade wird von einer Statue Marschall Schulkows bewacht.
Ein Friedhof mit gefallenen deutschen Soldaten ist nicht weit entfernt.
Das Kriegsdenkmal in Kursk erinnert an die vielen Opfer im Kampf gegen die Nazis.
Die Siedlung wurde für Truppen gebaut, die aus Berlin abzogen. Gezahlt hat Deutschland.
Im „Haus der Offiziere“ in der Siedlung „Marschall Schukow“ widmet man sich der Kultur.
Die Siedlung „Marschall Schukow“ wird vor allem von Offizieren der 53. Brigade bewohnt.
Antreten zum Konzert
Die Siedlung „Marschall Schukow“ in der Stadt Kursk bietet nicht viel Abwechslung. Es gibt keine Bars oder Restaurants. Nur im Haus der Offiziere finden regelmässig Konzerte und Veranstaltungen statt. Die Siedlung wurde für die abrückenden Sowjettruppen aus Deutschland gebaut, finanziert von der Bundesrepublik.
Die Rekruten aus der 53. Luftverteidigungsbrigade leben heute in der Kaserne gegenüber der Siedlung im Kieferwald, ihre Offiziere in der Siedlung selbst.
Unser Reporter Marcus Bensmann ist bei einer Veranstaltung dabei, einem Kinderkonzert. Die Rekruten werden militärisch stramm in den Saal geführt. Die Kinder der Siedlung singen und tanzen. Die Rekruten klatschen und johlen und werden danach wieder im Gleichschritt zur Basis in den Kieferwald geführt. Einem Soldaten gelingt es, eine Schachtel Zigaretten zu kaufen. Der Rest bleibt abgeschirmt in der militärischen Truppe.
Der Rekruten der 53. Brigade treten im Haus der Offiziere zum Kinderkonzertbesuch an.
Einmarsch der Rekruten in die Aula des Offiziershauses.
Stillgestanden vor dem Offiziershaus. Danach Abmarsch in die Kaserne.
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