Bryce und Daisy standen vor ihrer Ausbildung. Koch wollte er werden, sie hatte eine Lehrstelle als Schulassistentin. Den Urlaub auf Bali wollten sie genießen. Als Reise ins Paradies. Der Trip sollte ihnen den Start in den Ernst des Lebens versüßen. Ein Geschenk der Eltern.
AUFGEZEICHNET VON LAURA SCHALKWIJK
Daisy Oehlers hatte es schwer, nachdem ihre Mutter früh gestorben war. Zusammen mit ihrem Freund Bryce Frederiksz wollte sie nach Bali reisen, sich erholen, Kraft tanken. Die Reise war ein Geschenk ihrer Schwiegereltern. “Wir wollten den beiden etwas schönes schenken,“ sagen sie heute.
Das Bett im Schlafzimmer von Bryce ist immer noch nicht gemacht, auf dem Nachttisch wartet eine Flasche Mineralwasser, daneben eine Safttüte. Auf dem Sofa liegen einige Kleidungsstücke. Dahinter ein Wandbild mit Palmbäumen, blauem Himmel und weißem Strand. So sollte das Paradies aussehen, zu dem Bryce mit seiner Freundin Daisy fliegen wollte. Hier in diesem Zimmer sind Bryce Frederiksz und Daisy Oehlers am 17. Juli 2014 aufgewacht, aus ihrem Bett gestiegen. Hier begann ihre Reise.
Silene Frederiksz, die Mutter von Bryce, hat nicht die Absicht, das Zimmer aufzuräumen. Sie haben hier die Tür einfach hinter sich zugezogen. Die Unordnung ist die letzte greifbare Erinnerung. “In den ersten Tagen nach der Katastrophe konnte ich das Schlafzimmer nicht betreten,” sagt Silene, “jetzt schon. Ich säubere das Zimmer ein wenig, mache den Staub weg, um die Kleider und sonstigen Gegenstände herum.”
Drei Jahre kannten sich Bryce und Daisy. Er ein fussballverrückter Junge. Sie ein hübsches Mädchen. Ein Jahr später zieht Daisy bei der Familie Frederiksz ein, zieht zu ihrem Freund. “Sie war ein wirklich liebes Kind. Schweigsam war sie, aber manchmal verlor sie ihre Schüchternheit. Dann konnte sie lachen, sich öffnen. Sie war wie eine eigene Tochter für uns.”
Die zwei gehörten zusammen, sagt Silene. Bryce war aufmerksam, ein Mann, der darauf achtete, dass Daisy sich wohl fühlte. Daisy wollte nach dem Sommer eine Ausbildung zur Schulassistentin anfangen. Sie wollte einen Führerschein machen. “Sie hatte viel vor,” sagt Silene. “Sie wollte auch Musik machen, eine Gesangsausbildung, sie wollte Klavierstunden nehmen, ein Instrument lernen.”
Ein Traum vom Profifussball
Bryce hatte Aussicht auf eine neue Stelle als Hilfskoch in einem Restaurant. Er freute sich darauf. “Bryce hat gerne gekocht. Zusammen mit seiner Schwester hat er dann einge- kauft, hat für die ganze Familie gesorgt.”
Noch lieber als Koch wäre Bryce allerdings Profi beim Fußballverein Feyenoord Rotterdam geworden. Talentiert war er, allerdings nicht diszipliniert genug. “Er hat die Trainer völlig verrückt gemacht,” sagt sein Vater Rob. “Er wollte andauernd Tricks machen und dribbeln.”
Bryce träumte noch einen zweiten Traum. Er wollte einen eigenen Radiosender gründen. Die Sender, die es gab, fand Bryce schlecht. HipHop, wie Bryce ihm mochte, wollten die Sender nicht spielen. Bryce machte ein Praktikum bei einer Radiostation in einem Krankenhaus. Und gab dann auf. “Man muss sich schon mehr anstrengen, um seine Träume zu realisieren,” hat Silene ihrem Sohn gesagt.
Nun, vor dem Start in die Ausbildung, sollten die beiden nach Bali reisen. So wollten es die Eltern von Bryce. Einfach ein paar Wochen das Wetter und die Freiheit der Jugend genießen, tauchen, surfen. Bevor der Ernst des Lebens losgeht. Bryce war schon öfter in Asien, er hatte dort sogar ein paar Freunde. Für Daisy war es das erste Mal so weit weg von zu Hause. Sie sagte: “Ich kann es nicht erwarten, in einer Woche sind wir schon im Paradies.” Der Urlaub, ein Lichtblick in einer schweren Zeit. Vor ein paar Monaten war die Mutter von Daisy gestorben.
Einen Tag vor der Abreise verabschieden sich Bryce und Daisy von Daisys Tante Paula und ihrer Großmutter. “Ich will euch noch einmal sehen, bevor ihr verreist,” hatte die Großmutter gesagt. “Ihr kommt nicht wieder.”
Bryce packte erst spät am Abend seinen Koffer, so wie er es immer tat, kurz vor knapp. Er nahm einige Trikots der Fußballmannschaft Feyenoord mit. Er wollte sie verschenken. Drei Paare Fußballschuhe hatte er eingepackt. Sein Vater Rob sagt: “Er wollte mal schauen, ob er nicht vielleicht doch noch eine Chance im Profifußball bekommt, in Indonesien. Das Niveau ist dort ja verhältnismäßig niedrig.”
Es war, als hätten Bryce und Daisy Schlimmes geahnt, sagt Silene. Ihr Mann Rob nickt. Er brachte die beiden zum Flughafen Schiphol und ging mit ihnen in die Abflughalle. Dort wartete er bis sie eingecheckt hatten.
“Vati, ich habe Angst.” sagte Daisy dann. “Es wird nichts passieren,“ sagte Rob, um Daisy zu beruhigen. “Du sitzt neben mir, nichts kann schiefgehen,“ sagte Bryce.
Einen Tag vorher hatte Bryce seinem besten Freund gesagt: “Wenn ich abstürze, dann bin ich nicht tot, dann musst du mich suchen kommen.” Nach der Zollkontrolle redete Bryce noch einmal mit seinem Vater. “Du musst dich um Omi und Paula kümmern. Die sind nun alleine.“ Seiner Mutter schickte Bryce noch eine kurze SMS. “Mutti, danke für alles.”
Bryce und Daisy sind identifiziert worden. Von beiden Körpern hat man nur ganz wenig gefunden. Silene sagt: “Man fängt an zu grübeln, versucht sich ein Bild zu machen, von dem was passiert ist. Solange man keine Antwort hat, macht man sich im Kopf eigene Vorstellungen.”
Sie wollen den Ort der Katastrophe besuchen. Und können nicht. Rob sagt: “Das Gefühl, als Vater nicht mal seine eigenen Kinder suchen zu dürfen, macht einen ohnmächtig.”
Der Onkel von Daisy, Robby Oehlers, konnte nicht warten. Er ist in das Katastrophengebiet gefahren. Erst da wurde ihm klar, dass es dort wirklich gefährlich ist. Erfahren hat er wenig. Silene und Rob warten weiter auf Antworten. Jeden Tag.